Es gibt Städte, zum Beispiel Solothurn, die werden mehrmals jährlich als Festhütten beklagt. Andere lassen sich Zeit: gefühlte Generationen liegen zwischen den Aufläufen. Dann aber gehts richtig los; nichts bleibt verschont, alle Einwohner werden zu Statisten, die ganze Stadt wird zur Bühne – ein Ort, ein Wort: Vevey, deutsch Vivis, lateinisch Vibiscus/Viviscus.
1999 fand die Fête des Vignerons zum letzten Mal statt, bis zum 11. August 2019 ist Vevey einmal mehr der weinselige Mittelpunkt der Schweiz. Wer dieses Zeitfenster verpasst, muss sich bis 2039 gedulden. Nur alle 20 bis 25 Jahre findet die Fête des Vignerons statt.
Die Sause, die mittlerweile zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO zählt, nahm bereits im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts ihren Lauf, als beim Winzerfest auch Musiker teilnahmen, kleine Figuren in einem Prozessionszug getragen wurden und alles nach und nach theatralische Formen annahm. Junge Leute spielten die Rollen von Bacchus, dem Weingott, und Ceres, der Göttin des Korns.
Im Sog der industriellen Revolution, will heissen mit der Verbesserung der Transportmittel – den Dampfschiffen ab 1833, der Eisenbahn ab 1865 – und mithin dem aufblühenden Tourismus fanden immer mehr Zuschauer nach Vevey. Inzwischen ist die omnipräsente Arena 30 Meter hoch, misst 14000 Quadratmeter und bietet mit 20000 Plätzen fast so vielen Zuschauern Sitzgelegenheit für die Spektakel wie Vevey Einwohner hat.
Und da sind die unzähligen Weinkeller, über 60 Schanklizenzen wurden 2019 vergeben mit weissen und roten Premiumweinen. Selbst eine weinhaltige Wurst fehlt nicht, eine Trockenwurst aus Schweizer Rind- und Schweinefleisch, die fünf Prozent Wein der Fête enthält.
Wem die weinselige Stimmung definitiv zu anstrengend werden sollte, dem sei ein Besuch im Musée Jenisch empfohlen. Das Kunstmuseum für Zeichnungen, Kupferstiche und Druckgrafiken ist der Werkschau für Papier vorbehalten. Als zweitgrösstes Kunstmuseum im Kanton Waadt residiert es seit 1897 in dem neoklassizistischen Gebäude, das die Witwe des Hamburger Senators Martin Johan Jenisch, Fanny Henriette Jenisch (1801–1881), der Stadt Vevey testamentarisch überlassen hatte.
Seit 1989 sind in den Räumlichkeiten die Oskar-Kokoschka-Stiftung und das kantonale Kabinett untergebracht.